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Fakten und was daraus gemacht wird

Falschaussagen

Trotz des Rechts auf eine eigene Meinung, hat kein Mensch das Recht sich eigene Fakten zu erschaffen. Leider passiert das nicht nur im Rahmen von Verschwörungstheorien, sondern auch im wissenschaftlichen Betrieb. So hat etwa der emeritierte Mainzer Professor Sucharit Bhakdi pseudowissenschaftliche Aussagen über Corona getroffen, die schlicht und ergreifend nicht auf wissenschaftlicher Forschung basieren. So sprach Bhakdi darüber, dass Masken nicht effektiv seien. Jedoch hat er nie zu SARS-Viren geforscht. Falsche Fakten kommen in der Wissenschaft immer wieder vor. Und genau deswegen gibt es die Metastudien, die genau solche falschen Fakten herausfiltern, damit in der Wissenschaft mit richtigen Fakten gearbeitet werden kann.

Über das, was aus den Fakten gemacht wird

Der korrekte Umgang mit wissenschaftlichen Fakten, die mit heißer Nadel gestrickt worden sind, ist nicht einfach und stellt hohe Anforderungen an die politischen Entscheidungsträger*innen. Auch wenn die wissenschaftlichen Fakten zum Corona Virus nicht perfekt sind, sind sie eine fundierte Entscheidungsgrundlage.

Wie auch jede medizinische Entscheidung sind die Entscheidungen für die Corona-Maßnahmen Risikoabwägungen. Die wissenschaftlich gewonnenen Fakten werden genutzt, um die Risiken zu ermitteln. Ein Beispiel: Hat ein*e Patient*in neue Herzklappe eingesetzt bekommen, ist das Risiko groß, dass sich an der Herzklappe ein Blutgerinnsel bildet. Dieses kann ein Gefäß im Gehirn oder Herzen verstopft und so zu einem Schlaganfall oder Herzinfarkt führt. Deswegen werden in diesem Fall Blutverdünner verschrieben. Sie reduzieren das Risiko eines Blutgerinnsels aber erhöhen das Risiko von Blutungen, auch im Gehirn. Die Risiken werden nun abgewogen und das Risiko an einer Blutverdünner-bedingten Blutung zu sterben ist um ein vielfaches kleiner, das das Risiko an dem Herzklappen-bedingten Blutgerinnsel zu sterben. Die Schwere und Häufigkeit von Risiken müssen also abgewogen werden, um eine gute Entscheidung zu treffen. Genauso verläuft die Risikoabwägung beim AstraZeneca Impfstoff. Nun gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen der Abwägung von Corona-Maßnahmen und medizinischen Fragestellungen.

Der Unterschied ist die Anzahl von Personen, die an der Entscheidung beteiligt sind. Die Entscheidung über die Therapie mit einem Blutverdünner trifft ein*e Patient*in und das medizinische Personal. Die Risiken aber auch der Therapienutzen liegt bei dem Individuum. Eine Therapie ist ein Behandlungsvertrag und wird zwischen zwei Personen, nämlich dem*der Patientin und dem*der Ärzt*in geschlossen. Kosten und Nutzten für die Gesellschaft dürfen in diesem Verhältnis keine Rolle spielen. Alle ärztlichen Handlungen müssen zum Wohle der zu Behandelnden erfolgen. Diese strikte Regelung wurde aus der Aufarbeitung der medizinischen Versuchen in der Zeit des Nationalsozialismus abgeleitet. In dieser Zeit wurde auf menschenverachtende Weise Wissen, etwa für Piloten*innen in großen Höhen, auf Kosten des qualvollen Todes der Versuchsopfer gewonnen.

Bei Entscheidungen über Corona-Maßnahmen kommt eine dritte Person ins Spiel. Nicht nur das eigene Risiko und der eigene Nutzen spielen eine Rolle, sondern auch der Nutzen und die Risiken der Gesellschaft.

Bis heute wurden medizinische Entscheidungen, die eine entscheidende Rolle für die Gesellschaft spielen, dem Individuum durch Empfehlungen stark ans Herz gelegt. Einen Zwang gab es jedoch nicht. Ein Beispiel dafür sind die Empfehlungen der ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts.

Ob Gesetze zur Impfpflicht oder Corona-Maßnahmen-Katalog, mehr und mehr werden medizinische Entscheidungen für die gesamte Gesellschaft getroffen. Damit wird den Menschen zunächst einmal ein Teil ihrer Autonomie genommen. Die Autonomie von Patientinnen und Patienten spielt in der medizinischen Ethik eine Schlüsselrolle. So ist die Schweigepflicht durch die informative Selbstbestimmung in der Verfassung begründet. Aus medizinethischer Perspektive ist eine Begrenzung der Entscheidung also nur möglich, wenn ein höheres rechtliches Gut als die Autonomie des*der Patienten*in zu schützen ist. So wird beispielsweise das Rechtsgut der Gesundheit als höherwertig eingestuft. Dass aber im Namen der Gesundheit nicht jede Maßnahme zulässig ist, wird bei aktuellen richterlichen Urteilen deutlich. Bei der Abwägung zwischen Rechtsgütern kommt es nicht nur auf den Wert eines Gutes an, sondern auch auf die Quantität und die Wahrscheinlichkeit eines Nutzens an. Hier tritt wieder die medizinische Wissenschaft auf den Plan, die eben diesen Nutzen und dessen Wahrscheinlichkeit quantifizieren muss. Zwei Beispiel: Medizinische Masken schränken das Recht der Autonomie nur leicht ein. Der protektive Effekt der Masken vor einer Corona Infektion ist hoch und wissenschaftlich erwiesen. Eine Einschränkung der Autonomie aufgrund der Vorteile für das Rechtsgut Gesundheit ist also akzeptabel. Wer sagt, das die Maske als Maulkorb, zusätzlich das Recht der freien Meinungsäußerung einschränke, beweist allein durch das Treffen der Aussage das Gegenteil. Anders werden Ausgangssperren diskutiert. Der Einschnitt in das Grundrecht der Autonomie ist groß. Der medizinische Nutzten wird aktuell noch diskutiert. Eine Ausgangssperre ist nicht zwangsläufig rechtfertigbar. So wurde etwa auch in diesem Monat die Ausgangssperre in Mainz gerichtlich ausgesetzt.

Seien es Impfpflicht oder Corona-Maßnahmen, wenn medizinische Entscheidungen über die Behandlungbeziehung zwischen medizinischem Personal und Patienten*in hinausgeht, muss der deliberative Diskurs mit der Bevölkerung aufgenommen werden. Jeder sollte die Möglichkeit haben, die Argumente für eine der Gesellschaft dienlichen Entscheidung nachvollziehen können. Wir müssen mehr Demokratie wagen, anstatt die Stunde der Exekutiven auszurufen, in der es sogar lange nicht gewünscht war, kleine Anfragen im Bundestag zu stellen. Das macht aber auch eine sprechende, am Verstehen orientierte Wissenschaft und eine gut und interdisziplinär beratene Politik erforderlich.

Weiterlesen?

Hier geht es zu dem Artikel “Mehr Wertschätzung für Pflegende – Ein Plädoyer”, der ähnliche Themenfelder berührt.

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