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Wissenschaft & Glaube Oder Die (Ir)Relevanz der Wahrheit

„Der Wille zur Ordnung kann Tyrannen aus denjenigen machen, die bloß danach streben, ein Durcheinander zu entwirren.“ 5Aldous Huxley

In Crowders Denken ist für sie nur Platz in den biologisch begründeten, binären Strukturen und alles außerhalb ist für ihn psychische Störung. Ganz nach dem Motto: Psycho- statt Hormontherapie. Indem er versucht, Transidentität in sein bestehendes Denksystem einzugliedern und eine Ordnung zu schaffen, die für ihn Sinn ergibt, verschließt er sich der Möglichkeit, dass trans identity und andere Geschlechtsidentitäten wissenschaftlich bisher noch nicht auf ganzer Linie erklärbar sind (auch wenn es natürlich bereits wissenschaftliche Forschungsarbeiten zu dem Thema gibt) noch akzeptiert er, dass direkt vor ihm eine lebendige Person sitzt, die sich als transgender identifiziert und die auch nicht damit aufhören wird, wenn er ihre Geschlechtsidentität biologisch verleugnet. Die ‚Wahrheit‘ wird in dieser Debatte zu einem Schlagwort, dass darüber entscheidet, welcher Glaube in den Rahmen der gesellschaftlichen Akzeptanz aufgenommen und welcher von diesem ausgeschlossen wird.

Wissenschaftlichkeit, Fakten und Wahrheit – diese drei Begriffe werden aktuell im öffentlichen Diskurs oftmals zu einem gemeinsamen Narrativ gesponnen mit welchem Sachverhalte verabsolutiert werden.

Spannenderweise gibt es keine ‚wissenschaftliche Wahrheit‘, sondern nur einen ‚wissenschaftlichen Konsens‘: „Wissenschaftlicher Konsens ist nicht die Wahrheit, sondern ‚nur‘ die derzeit beste Näherung.“5 Um einen wissenschaftlichen Konsens zu erzeugen, wird starke Evidenz gesammelt, die darauf hindeutet, dass eine Aussage wie „Der Klimawandel ist menschengemacht“ mit hoher Wahrscheinlichkeit stimmt. Und nur, wenn die Mehrheit der Wissenschaftler*innen auf diesem Gebiet dem zustimmt, spricht man am Ende von wissenschaftlichem Konsens. Es bedarf also einer wahnsinnig differenzierten Auseinandersetzung, damit so ein Konsens überhaupt zustande kommt (und selbst dann wird dieser noch nicht als ‚Wahrheit‘ bezeichnet).

Im öffentlichen wie privaten Diskurs werden hingegen Wissenschaftlichkeit und Fakten oftmals als Label und Totschlagargument benutzt, um absolute Wahrheiten zu konstatieren. Eine lückenlose Wahrheit verspricht jedoch selbst die Wissenschaft nicht. Es ist wichtig, genug Demut zu haben, um Nicht-Wissen einzuräumen; Platz zu lassen für Lücken, Zweifel, bislang Unerklärliches und für Argumente, die sich nicht auf Wissenschaftlichkeit stützen, sondern beispielsweise auf Emotionalität oder Moral.


4 S. 28-29, Aldous Huxley, Wiedersehen mit der Schönen neuen Welt

5 https://www.youtube.com/watch?v=ptJ-42ME3f8, TC: 22:03-22:09.

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