Mit dem Eupragma-Begriff soll eine neue Konzeption einer Kategorie sozialer Ereignisse entwickelt werden, die durch die Eigenschaft gekennzeichnet ist, dass sie zu dem Glück aller Beteiligten beitragen. In dieser Schrift soll eine umfassende Defintion von Eupragmata gegeben und Beispiele beschrieben werden, in denen sich Eupragmata manifestieren. Dem schließt sich die Betrachtung und Einordnung der Eupragmata aus philosophischer und psychologischer Perspektive an. Schließlich soll das Eupragma als Kunstform beschrieben werden.
Definitionen
- Handelnde → Die Person oder die Personen, die eine eupragmatische Handlung ausführen.
- Empfangende → Die Person oder die Personen, die direktes oder indirektes Ziel eines Eupragmas sind.
- Glück → Intensive emotionale Freude, die durch eine Wahrnehmung oder Handlung hervorgerufen wird.
Ein Eupragma ist ein soziales Ereignis, welches sich aus einer menschlichen Handlung und der emotionalen Wirkung dieser Handlung zusammensetzt. Die Handlung ist der Auslöser für das Eupragma. Die Handelnden verfolgen dabei das Ziel, das Glück der Empfangenden unmittelbar zu steigern. Diese Handlung ist motiviert aus Wohlwollen den Empfangenden gegenüber. Die Empfangenden können hierbei aus dem Verwandtschafts-, Freundschaftsund Bekanntenkreis der Handelnden stammen, können aber explizit auch Unbekannte sein.
Von zentraler Bedeutung ist, dass der Zweck einer eupragmatischen Handlung primär darin besteht, die Empfangenden glücklich zu machen. Eine sekundäre Motivation der Handelnden kann und darf darin bestehen, durch die Handlung ihr eigenes Glück zu steigern. Dies kann aus dem Durchführen der Handlung selbst resultieren, oder aber auch von dem Einfühlungsvermögen des Handelnden oder der Vorahnung des Glücks der Empfangenden stammen. Die sekundäre Motivation muss der primären aber immer untergeordnet sein.
Insbesondere ist eine Handlung kein Eupragma, wenn die Handelnden nur vorgeben, die Empfangenden glücklich machen zu wollen, und die Handelnden stattdessen eigentlich andere Ziele verfolgen, wie zum Beispiel die Steigerung des eigenen Ansehens oder die Manipulation des Empfangenden.
Das Zustandekommen eines Eupragmas hängt davon ab, ob die Handlung tatsächlich eine glücksfördernde Wirkung auf die Empfangenden hat. Ob eine Handlung glücksfordernd ist, hängt von der Art der Handlung ab. Die Qualität ist wesentlich davon abhängig, wie gut die Handelnden abschätzen können, ob und wie sehr die Handlung für den primären Zweck, das Glück der Empfangenden zu steigern, geeignet ist. Hierbei spielen persönliche, soziale sowie kulturelle Aspekte eine Rolle. Das bedeutet, dass eine eupragmatische Handlung auch scheitern kann, wenn sie ihr Ziel, die Empfangenden glücklicher zu machen, komplett verfehlt. In solch einem Fall kann sie nicht mehr als ein Eupragma bezeichnet werden.
Formen
Eupragmata können in vielen verschiedenen Formen auftreten. Die Unterschiede sind dabei maßgeblich durch soziale, ökonomische und kulturelle Einflüsse geprägt. Dies bedeutet, dass eine eupragmatische Handlung nicht universell eupragmatisch ist, sondern nur dem spezifischen soziokulturellen Kontext, in dem sie die von der Definition geforderte Wirkung erzielt.
Die folgenden Beispiele stammen aus der europäischen soziokulturellen Sphäre.
Positive Beispiele
- Das ehrliche, zweckfreie Kompliment – wenn es den Empfangenden willkommen ist und in den Situationskontext passt.
- Der unausgesprochene, doch korrekt intuierte und erfüllte Wunsch – dieser zeugt von der persönlichen Nähe zwischen Handelnden und Empfangenden.
- Das spontane Geschenk – außerhalb von normativen Praxen und sozialen Rahmen wie Geburtstagen oder anderen Feiertagen. Das Geschenk ist beispielhaft für eupragmatische Handlungen, da es eine gute Metapher für ihren schenkenden Charakter darstellt.
Negative Beispiele
- Das tugendhafte Almosen – Wenn Gläubige einer Religion, die Wohltätigkeit zur Tugend erklärt, eine karitätische Handlung ausführen, beispielsweise ein Almosen geben, ist dies kein Eupragma. Ein bedeutender Teil der Motivation der Handlung könnte aus der religiösen Tugendhaftigkeit stammen, die der Handlung von den Gläubigen zugeschrieben wird. Es besteht also mindestens ein weiterer Zweck, das Erfüllen eines Tugendideals, und dies disqualifiziert diese Handlung als Eupragma.
- Der manipulative Gefallen – Eine Handlung, die dem Anschein nach eupragmatisch ist, aber in Wirklichkeit weitere, niedere Ziele verfolgt, beispielsweise die Empfangenden für den eigenen Profit emotional zu beeinflussen.
- Das obligatorische Weihnachtsgeschenk – Diese Handlung ist primär motiviert aus dem normativen, sozialen Rahmen des Weihnachtsfestes, in dem die eigentlich potenziell eupragmatische Handlung des Schenkens durch das normative “Sollen” zu einer sozialen Pflicht wird.
Einordnung
Eupragmata sind Phänomene altruistischen Handelns. Dabei lassen sie sich in die Kategorie des Sympathie Altruismus einordnen – Handlungen, die aus dem Wohlwollen der Handelnden motiviert sind. Ein wesentlicher Unterschied zwischen moralischem oder normativem Altruismus und Sympathie-Altruismus ist, dass das Wohlwollen freiwillig ist und nicht aus einem rational begründeten “Sollen” resultiert. Da der Wirkungskreis über den engeren Rahmen von Verwandtschaft, Freundes- und Bekanntenkreis hinausgehen kann, lässt sich das Eupragma auch als philantropische Handlung ansehen.
Jedoch ist natürlich nicht zu übergehen, dass ein substantieller Teil der Motivation für Eupragmata auch von den positiven Gefühlen ausgehen kann, welche die Handelnden bei der Ausführung ihrer Handlung empfinden. Wer eupragmatisch handelt, verspürt Freude an der Handlung an sich, aber auch an ihren Auswirkungen, beispielsweise an der Wahrnehmung der Freude der empfangenden Personen und an deren Dankbarkeit. Zusätzlich kann das Selbstwertgefühl der Handelnden gesteigert werden, gemeinsam mit einer stärker wahrgenommenen menschlichen Verbundenheit zu den Empfangenden. Dass Eupragmata nicht als reine, selbstlose Handlungen definiert sind, schmälert nicht ihren Wert. Im Gegenteil: Dadurch, dass sie für Handelnde und Empfangende glücksfördernde Handlungen sind, können sie zu mehr unmittelbarem Glück beitragen als es durch eine moralisch oder normativ motivierte altruistische Handlung möglich wäre. Tatsächlich resultiert ein großer Teil des Glücks der Empfangenden eben aus dem Fakt, dass das Eupragma nicht aus einem Pflichtgefühl hervorgegangen ist, sondern einzig aus dem spontanen, unerwarteten Wohlwollen der Handelnden. Dieses positive Überschreiten der Erwartungen der Empfangenden an die Handelnden ist zentral für die Glückswirkung von Eupragmata – zusätzlich zu dem Glück, das aus dem Inhalt der eupragmatischen Handlung selbst resultiert. Diese beidseitige Glückswirkung von Eupragmata ist ein gutes Beispiel dafür, dass soziale Interaktionen kein Nullsummenspiel darstellen. Eupragmatische Handlungen können so in sozialen Kontexten zu allgemeiner Glückssteigerung beitragen.
Das Eupragma als Kunstform
Abschließend soll gezeigt werden, dass Eupragmata nicht nur als eine Kategorie sozialer Ereignisse, sondern sogar als eine Kunstform gelten können. Die Handelnden werden dabei zu Künstler:innen, die durch eine kreative Handlung Glücksgefühle erschaffen. Der Kunstbegriff ist gerechtfertigt, da für das Zustandekommen eines Eupragmas verschiedene komplexe Fähigkeiten erforderlich sind:
- Kreativität und Menschenkennntis, um gute Ideen für eupragmatische Handlungen zu entwickeln, insbesondere in Bezug auf die Individualität der Empfangenden.
- Empathie, um sich in die Empfangenden hineinzuversetzen und abzuschätzen, wie sie auf eine Handlung emotional reagieren werden.
- Kontextsensibilität, um zu bewerten, welcher soziale Kontext (Zeit, Ort, Situation) für die eupragmatische Handlung geeignet ist.
- Fertigkeit, um die eupragmatische Handlung so umzusetzen, dass sie ihre Wirkung so gut wie möglich entfalten kann.
Das Zusammenspiel dieser Fähigkeiten stellt einen wirkungsorientierten Schaffungsakt dar, der in seiner Komplexität den Kern der menschlichen Fähigkeiten zur Kreativität, Empathie, Kritik und Interaktion berührt. Bei dem Durchführen der eupragmatischen Handlung entsteht ein Moment, in dem sich die Wirkung des Eupragmas entfaltet. Dieser ist in seiner flüchtigen, aber intensiven Qualität dem Genuss performativer Künste oder von Musik gleichzustellen. Dabei hängt die Qualität eines Eupragmas nicht von der Elaboriertheit der Handlung ab, sondern nur von ihrer Wirkung. Genau wie ein einfaches Gemälde ein Meister:innenwerk sein kann, und ein kompliziertes das Werk eines Laien, hängt die wahrgenommene Qualität des Gemäldes von der emotionalen Wirkung auf die Betrachtenden ab. Die innere, nicht die äußerliche Komplexität ist es, die einen tieferen Zugang zu den Betrachtenden herstellt und sie emotional berührt. Diese innere Komplexität ist im Falle des Eupragmas die kreative, empathische, kritische und interaktive Qualität eines erfolgreichen Eupragmas.
Schlussworte
Eupragmata sind keine neue Erscheinung, sondern sicherlich schon seit langer Zeit ein wichtiges Element menschlichen Verhaltens. Die Beschreibung des Phänomens durch eine Definitionsgebung und einen Namen (Eupragma) kann jedoch dazu beitragen, dass präziser darüber gesprochen werden kann. Und vielleicht dient sie den Lesenden auch als Inspiration dafür, selbst mehr Eupragmata zu erschaffen und damit mehr Glück in der Welt zu verbreiten.
Autor: Dorian Grosch