Autorin: Maya Oppitz
Der Vorhang öffnet sich, das Licht im Kinosaal erlischt und neben verhaltenem Popcorngeknister erklingt die Vorspannmusik.
Wir befinden uns in einem imaginären Kinosaal (wie pandemiebedingt schon lange nicht mehr) und freuen uns auf einen alten Kinoklassiker, den berühmten Schwarzweißfilm Casablanca aus dem Jahre 1942. Der Film spielt in Casablanca (Marokko), wurde jedoch komplett in den Warner Studios in Hollywood gedreht, die Hauptdarsteller sind die Filmgrößen Humphrey Bogart und Ingrid Bergman.
Das erste Bild ist eine Landkarte, mit deren Hilfe wir Zuschauenden die Reise in die weite Ferne, nach Casablanca, antreten können. Unterstützt wird die geografische Einordnung vom Ort des Geschehens durch die auditive Ebene der Vorspannmusik.
Doch wie klingt Marokko, wie soll Marokko klingen? Welche Bilder sollen und können durch Filmmusik, zusätzlich oder verstärkend zum Bild auf der Leinwand, evoziert werden?
Wie auch in dem Artikel Alle Sprachen sprechen wir – Wie Mock language fremde Sprachen auf Klischees reduziertnachzulesen ist,können Assoziationen auf verschiedene Weise hervorgerufen und Klischees durch verschiedene Mittel bedient werden. In den meisten Fällen funktioniert Klischeebildung in erster Linie durch das Wiederholungsprinzip (was vermehrt verwendet wird, setzt sich bei der Mehrheit fest) und findet nicht allein auf musikalischer, sondern eben auch auf sprachlicher oder visueller Ebene statt. Oft verschwimmen die einzelnen Wahrnehmungskomponenten auch miteinander, insbesondere wenn Intermedialität, wie etwa im Film, schon durch das Medium selbst gegeben ist. Assoziationsketten überkreuzen sich und bilden ein Netz aus Assoziationen. So geht es in dem Artikel Alle Sprachen sprechen wir – Wie Mock language fremde Sprachen auf Klischees reduziertum die Frage, wie Dominanz durch Sprache ausgedrückt werden kann, wie in bestimmten Sprachen Klischees in Bezug auf andere Sprachen entstehen, und diese in der eigenen Sprache benutzt und karikiert werden.
Wie es der bis heute noch aktuelle Autor Edward Said in seinem vielfach zitierten Werk Orientalism formulierte, gibt es verschiedene Formen des Orientalismus. Orientalismus könne als wissenschaftlich untersuchbarer Gegenstand, als akademische Disziplin und somit als Diskurs verstanden werden. In den alten Klassikern der Literaturgeschichte, so Said, könne man diese Form des Orientalismus, die Teilung der Welt in Orient und Okzident, literarisch erfahren. Durch die binäre Denkweise dieser strikten Trennung entstehen Klischees der einen und der anderen Seite – dies passiert von selbst, denn nur so kann sich eine Teilung in Ost und West manifestieren: Es braucht unterscheidbare Erkennungsmerkmale für beide.
Allerdings, und hier fängt es an, kompliziert zu werden, könne Orientalismus, so Said, der sich auf das von dem italienische Schriftsteller und marxistische Philosoph Antonio Gramsci entwickelte „Hegemonie-Konzept“ stützt, ebenso als bewusste Machtausübung gedeutet werden. Versteht man Orientalismus als westliches, auf Dichotomie aufbauendes Instrument von Dominanz, klingt die von Max Steiner komponierte Vorspannmusik des Films Casablanca plötzlich ganz anders.
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